Paul starrte seit geschlagenen zwanzig Minuten auf die Worte in seiner Hand ...

 

SCHENK MIR

       WAS KEINE WARE IST

 

Linda hatte ihm die Karte wortlos auf den gläsernen Wohnzimmertisch gelegt, ihre Jacke an- und die Tür hinter sich zugezogen.

Der neue Ring aus Weißgold lag jetzt verloren auf der Glasplatte. Paul blickte durch die Tischplatte und wartete auf die Erkenntnis, die ihn schon längst hätte wachrütteln müssen.

Linda war in den letzten Monaten in sich gekehrter gewesen; hatte öfter als vormals den Wunsch nach mehr Zeit zu Zweit geäußert.

'Bald ...' hatte er sie mehrfach vertröstet und sie an den im Mai anstehenden Traumurlaub auf den Seychellen erinnert, den er für sie beide - mit einem Geschäftspartner und seiner Frau - gebucht hatte. 

Was war falsch daran?

Vor wenigen Wochen hatten sie in einem edlen Restaurant ihr 2jähriges gefeiert. Sie war die perfekte Frau für ihn, machte sich gut an seiner Seite. Und sie konnte alles von ihm haben. Er hatte die gemeinsame Wohnung nach ihren Vorstellungen eingerichtet. Eigentlich brauchte sie auch nicht zu arbeiten, aber anscheinend hing sie an ihrem Job als Krankenschwester. Er hatte wahrlich Geld genug für Zwei. 

Noch am Vortag hatte er ihr diesen weißgoldenen Diamantring geschenkt; der geschäftliche Deal, an dem er lange Monate gefeilt hatte, war endlich perfekt.

Nein, er verstand die Welt nicht mehr.

Gut, Linda war ein ganz anderer Typ als er. Sie waren sich durch Zufall über den Weg gelaufen - besser gesagt - gefahren. Paul war mit seinem Rennrad unterwegs, als er Linda, die auf Inlinern um die nahe Talsperre fuhr, nach einem Sturz wieder auf die Beine half. Als Trostpflaster lud er sie auf einen Latte Macchiato ein ... Ein halbes Jahr später zog er mit ihr zusammen.

Offizielle Anlässe waren ihr zuwider, wie er schnell feststellen musste. Linda machte sich nichts aus "Leuten", Glitzer und Glamour. Sie traf sich lieber gemütlich mit wenigen Freunden als mit seinen Geschäftspartnern.

Aber diese Anlässe sicherten ihnen auch ihren Lebensstandard. War das nicht genug Grund?

Paul blickte auf, hörte Schritte vor der Tür.

Als Linda den Schlüssel im Schloss umdrehte, wieder in die Wohnung trat und ihn immer noch ratlos mit der Karte in der Hand am Tisch stehen sah, drehte sie sich um und verließ ihr gemeinsames Leben.