Schneeflocken


Eine Weihnachtsgeschichte

 

Geflochtene  Zöpfe  blinzeln  unter  der gestrickten Bommelmütze  hervor.  Träumende Kinderaugen strahlen um die Wette mit den vielen bunten Lichtern

auf dem Alten Rathausplatz und verbreiten ein Glücksgefühl bei jedem, den das kleine Mädchen anlacht.

Mit gefütterten Boots stapft Marie über den Iserlohner Weihnachtsmarkt.  Ihre  rechte  Hand steckt  in der Tasche ihres wollig warmen roten Mantels, die linke liegt geborgen in Papas großer, warmer Rechten. Die ansteckende Freude des  Mädchens  lockt  auch bei den Großen weihnachtliche Kindheitserinnerungen hervor.

Alles riecht so lecker nach Zimt,  Zucker,  Reibekuchen und  noch  viel  mehr  ...  Marie hat Hunger. Knusperige Reibekuchen  mit  Apfelmus  und  kreisende  Karussels erfüllen sich für Marie,  kaum,  dass sie an den Wunsch gedacht hat. 

"Papa,  warum hat  der  Mann  auf  der  kaputten  Decke schmutzige Sachen an? Alle anderen Leute haben sich fein gemacht, weil  doch heute Heiligabend ist!  Und was steht auf seinem Zettel?"

"Weißt du Marie,  nicht allen Menschen geht es so gut wie uns,  er wird keine Arbeit haben und vielleicht noch andere Probleme.  Er möchte Geld haben für etwas Leckeres zum Essen."

„Papa, vielleicht kannst du dem Mann auch Reibekuchen kaufen  und  ich  gebe  ihm  noch 2  Euro  von  meinem Taschengeld! " 

Das  tun  sie  und  der  Bettler  bedankt  sich  mit  einem Lächeln ...

Die  beiden  gehen  weiter  und  freuen  sich  über  den Kinderchor auf der Bühne vor der Bücherei.  Marie und ihr Papa entdecken noch bekannte Gesichter und einige Lieder können sie sogar mitsingen. Die Wartezeit bis zum Heiligen Abend wird so gar nicht lang. 

 

"Guck Papa, da ist ein Engel!" Marie schaut staunend mit offenem Mund!  Sie  lässt  kurz  Papas  Hand los und  läuft dem Engel hinterher,  der gerade durch das große schmiedeeiserne Tor  zur Stadtbücherei  schwebt.  Marie hat ihn wieder entdeckt.  Jetzt  ist  er  schon  oben  vor der Erwachsenenbücherei.  Marie kann ihn fast berühren, da verschwindet  das  himmlische Wesen  durch eine  kleine Tür, die ihr noch nie aufgefallen ist.

Marie ist froh, dass die Tür einen kleinen Spalt offen steht,  sie  schlüpft  hindurch  und hört  bald fröhliches Gemurmel. Ihre Neugier ist endgültig geweckt, aber noch geht  sie etwas zaghaft  die  schmale, hölzerne Wendeltreppe  nach  oben. Die  Stimmen  werden immer deutlicher. "Das Spielzeug-Auto für Leonard kann jetzt angemalt werden" hört sie gerade, als der Engel auf sie aufmerksam wird... 

"Wie  kommst  du  denn  hier  zu  uns?"  fragt  er  Marie liebevoll.  "Nur  wenige  Kinder finden  den Weg in  die himmlische Weihnachtswerkstatt. Na dann komm mal mit. Wenn das hier unser Geheimnis bleibt, zeige ich dir die ganzen fleißigen Helfer.  

Aber eines musst du mir bitte versprechen.  Bleibe in deinem Herzen immer das Kind, das du heute bist und geh uns auf der Erde etwas zur Hand.  Wir brauchen immer mehr Menschen so wie dich, die auch an andere denken."

Marie nickt und verspricht es dem netten Engel. 

 

Wie aus weiter Ferne hört sie Papas Stimme ...

"Marie,  wo  bist  du  denn  die  ganze  Zeit  mit  deinen Gedanken? Mama hat angerufen. Wir sollen schnell nach Hause kommen. 

 

Der Weihnachtsmann war da!"